Kleine Patienten in Not: Warum Medikamente weiter knapp sind!

Keine Fiebersäfte, Inhalationstropfen oder Krebsmedikamente - und das sogar in Kinderkliniken. Wirklich gelöst ist das Problem der Lieferengpässe bei Medikamenten noch immer nicht richtig.

 

Für Kinder sind die Lieferengpässe besonders drastisch. Denn bei ihrer Behandlung können Ärztinnen und Ärzte nicht so einfach auf alternative Medikamente ausweichen - etwa wegen der Dosierung, aber auch aufgrund der Darreichungsform. So kann nicht jedes Kind Tabletten schlucken, andere akzeptieren keine Zäpfchen.

 

Lieferengpässe bei Medikamenten - das ist kein neues Phänomen in Deutschland. Aber zuletzt war die Not besonders groß. Und gelöst ist das Problem noch nicht. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bringt nun ein neues Gesetz auf den Weg. Das Kabinett hat es schon bewilligt. Die Abstimmung im Bundestag steht jedoch noch aus.

 

Aber was genau ist eigentlich die Ursache des Problems? Warum gab und gibt es bei zahlreichen Medikamenten Lieferengpässe, zum Beispiel bei Fiebersäften für Kinder, bei bestimmten Antibiotika, Krebsmedikamenten, Blutdrucksenkern und vielem mehr? Und warum haben die Engpässe über die Jahre zugenommen?

 

Allein von Januar bis März 2023 gab es bereits 257 Lieferengpassmeldungen für Medikamente. Die Ursachen für die Arzneimittel-Knappheit in Deutschland sind dabei vielfältig. Dazu gehören u.a.:

 

Erhöhte Medikamenten-Nachfrage wegen Krankheitswelle

 

Vor allem im Dezember letzten Jahres erlebte Deutschland eine Hochphase an grippeähnlichen Erkrankungen und akuten Atemwegserkrankungen, berichtet das Robert Koch-Institut. Ein Grund dafür könnten nachgeholte Infektionen nach Aufhebung der meisten Corona-Schutzmaßnahmen sein, vermuten Ärztinnen und Ärzte.

 

Das erklärt zumindest ein Stück weit die großen Engpässe bei Fiebersäften und bestimmten Antibiotika, nicht aber zum Beispiel bei Krebsmedikamenten. Die Ursachen liegen tiefer und gehen vor allem auf den jahrelangen Preisdruck bei Generika, sprich Nachahmerprodukten, zurück.

 

Preisdruck bei Generika

 

Viel Geld macht die Pharmaindustrie vor allem mit neuen, innovativen Medikamenten. Für diese können die Hersteller bei den Verhandlungen mit den Krankenkassen einen hohen Preis verlangen, denn dahinter steckt teure Forschung. Nach einiger Zeit - meist um die zehn Jahre, so die Barmer - verliert das forschende Pharmaunternehmen den Patentschutz, und der Preiskampf beginnt.

 

Dann nämlich drängen Hersteller von Generika, also Nachahmerprodukten, auf den Markt. Verschärft wird ihr Konkurrenzkampf dadurch, dass die Krankenkassen individuell mit Generika-Herstellern Rabattverträge abschließen. Dahinter steckt die Absicht, die Kosten möglichst gering zu halten - nicht nur für die Kassen selbst, sondern auch für die Versicherten.

 

Generika machen fast 80 Prozent der verschriebenen Medikamente aus und sind wichtiger Bestandteil vieler Standard-Therapien. Bei der Behandlung von Alzheimer-Demenz, Brustkrebs oder auch Fettstoffwechselstörung kommen sogar nur noch Generika zum Einsatz, so das private IGIS-Forschungsinstitut.

 

Der Konkurrenzdruck ist das Eine. Das Andere: Die Generika-Hersteller erhalten für diese knapp 80 Prozent der Versorgung nach Abzug von Rabatten nur sieben Prozent der Summe, die die gesetzlichen Krankenkassen insgesamt für Arzneimittel ausgeben, so der Branchenverband Pro Generika.

 

Eine Folge: Marktkonzentration. Auf vielen Ebenen der Lieferkette seien Hersteller aus der Versorgung ausgestiegen, weil sich die Produktion nicht mehr rentiere, so der Verband. Das sieht man vor allem bei Paracetamol-Fiebersäften. Der letzte verbliebene deutsche Hersteller ist Teva mit seiner Marke Ratiopharm. Und dieser halte bei paracetamolhaltigen Fiebersäften einen Marktanteil von 95 Prozent, so Pro Generika. Trotzdem sei die Produktion nicht rentabel, beklagt Teva.

Steigt die Nachfrage - wie im vergangenen Jahr - sprunghaft an, lässt sich die Produktion nicht ebenso sprunghaft hochfahren. Das liegt vor allem an der Abhängigkeit von asiatischen Zulieferern. In Deutschland hatte das im Fall von Fiebersäften zur Folge, dass auch Ibuprofen-Säfte stark nachgefragt und teils knapp wurden.

 

Abhängigkeit von asiatischen Zulieferern - gestörte Lieferketten

 

Zwar werden in der Europäischen Union viele Generika hergestellt. Die Herstellung der dafür nötigen Wirkstoffe lohnt sich in vielen Fällen aber schon längst nicht mehr. Sie werden in Asien produziert, insbesondere in Indien und China.

 

Besonders deutlich wird das bei Antibiotika-Wirkstoffen. Mittlerweile bezieht die Europäische Union zwei Drittel ihres Bedarfs aus chinesischer Produktion. Vor zwanzig Jahren war es nur halb so viel, wie Daten der Vereinten Nationen zeigen.

 

Infolge der Corona-Pandemie kam es immer wieder zu Produktionsausfällen und gestörten Lieferketten - und die Störungen halten zum Teil an. Mal musste die Produktion in Asien wegen eines Corona-Ausbruchs ruhen, mal waren Häfen geschlossen, mal kamen die Transportunternehmen nicht hinterher.

 

Hinzu kommen geopolitische Sorgen: Was ist zum Beispiel, wenn China seinen Partner Russland beim Krieg gegen die Ukraine plötzlich stark unterstützen sollte und sich infolge die europäisch-asiatischen Beziehungen deutlich verschlechtern würden? Wie lange müssten Kinder in deutschen Kliniken dann auf heilende Medikamente warten?

 

 

Quelle: Jörn Seidel und Ben Bode

 

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